Irgendwie hat jeder welche: Nachbarn. Mal viele, mal wenige, manche nah, andere fern, einige geliebt und einzelne gehasst. Ich hatte sie auch und zwar in allen Varianten. Vom wettergegerbten Bauern, dessen Hof über einen Kilometer von unserem entfernt lag, bis hin zum randalierenden Psychopathen, mit dem ich Wand an Wand in einem Kreuzberger Hinterhof wohnte. Da ich mittlerweile an der 22ten Adresse in meinem Leben wohne, denke ich beim Thema Nachbarn mitreden zu können.
Eins der größten Probleme, das Nachbarn mit sich bringen, liegt auf der Hand: Man kann sie sich, im Gegensatz zu Freunden oder Partnern, nicht aussuchen. Nachbarn sind einfach schon da, wenn man selbst in eine neue Wohnung oder ein Haus zieht, oder kommen ungefragt dazu, wenn man irgendwo länger wohnen bleibt. Es ist wie beim Lotto: Entweder hat man Glück, oder nicht. Der oben bereits erwähnte Bauer war ein Glücksfall. Man hat sich gelegentlich auf dem Acker getroffen, ein bisschen über Hagel, Kühe und sinkende Milchpreise geplaudert und dann „Tschöh, bis denne“ gesagt. Der ebenfalls bereits erwähnte Psychopath lag am genau entgegengesetzten Ende der Stress-Skala. Da war ich schon froh, wenn eine Nacht lang mal Ruhe war und die Polizei nicht an seine Tür hämmerte.
Zwischen diesen beiden Extremen liegt die ganze Bandbreite an nachbarschaftlichen Unikaten:
- Der Unsichtbare: „Wer wohnt da eigentlich? Riecht es hier nicht irgendwie komisch?“
- Der Eier-Leiher: „Danke Nachbar, bringe ich morgen zurück.“
- Der Möchtegern-Hauswart: „Da dürfen Sie Ihr Fahrrad nicht anschließen.“
- Der Pedant: „Grünglas gehört aber in die andere Tonne.“
- Der Säufer: „Uppsala, schorry, falsche Tür erwischt.“
- Der Neugierige: „Was waren das denn für Geräusche letzte Nacht bei Ihnen?“
- Der Einsame: „Ich hätte noch ein Stück Kuchen da…“
- Der Polizei-Rufer: „Wenn nicht sofort Ruhe ist, dann…!“
- Der Lästerer: „Also, die Weißbier aus dem dritten Stock hat schon wieder…“
Alle diese Nachbar-Stereotypen gibt es natürlich auch in der weiblichen Form, aber die Gender-korrekte Schreibweise geht immer auf Kosten der guten Lesbarkeit. Daher das Binnen-I bitte selbst hinzudenken. Diese Liste erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern wartet darauf, von euch in den Kommentaren ergänzt zu werden. Mit welcher Art von Nachbarn lebt ihr Wand an Wand, Tür an Tür oder Haus an Haus zusammen?
Meine Erfahrung ist: Das Konfliktpotential zwischen Nachbarn hängt nicht unmittelbar mit der räumlichen Nähe zusammen. Ich habe in weit verstreuten Nachbarschaften auf dem Dorf größere Feindseligkeiten erlebt als in der engen Wohnsituation von städtischen Mehrfamilienhäusern. Das gleiche gilt für das Gegenteil, also für harmonische oder sogar freundschaftliche Nachbarschaftsverhältnisse. Und die oft beklagte Anonymität unter Nachbarn ist schon lange kein Privileg der Großstädte mehr. Wenn man in den Nachrichten von einem Familiendrama im Dorf XY mit 800 Einwohnern hört, sagen die befragten Nachbarn meistens etwas wie: „Das hätten wir nie gedacht, der Mann hat immer so freundlich gegrüßt. Und jetzt so etwas.“
Werfen wir einen Blick auf ein paar Zahlen: Jedes Jahr landen in Deutschland etwa eine halbe Million Nachbarschaftsstreitigkeiten vor Gericht. Aber auch, wenn ein Streit nicht gleich vor dem Kadi endet, gibt es reichlich Zoff. Eine Studie belegt, dass 38 Prozent der Deutschen in den letzten Jahren Streit oder Auseinandersetzungen mit ihren Nachbarn hatten. Mit knapp 14 Prozent ist dabei die Lärmbelästigung durch Musik und TV der häufigste Grund für den Zwist. Gefolgt von Streit über die Erledigung der Gemeinschaftsarbeiten, wie Schneeräumen oder Treppenhausreinigung (9 Prozent) und falsch geparkten Autos (8 Prozent). Mit auf der (sehr langen) Liste stehen noch Haustiere, Kinderlärm, Laub aus Nachbars Garten, Rauchbelästigung durch Grillen, Rasenmähen während der Mittagsruhe und, und, und… Vier Prozent aller Deutschen sind sogar wegen Stress mit den Nachbarn schon einmal umgezogen. Dazu gehören übrigens auch meine eigenen Eltern, aber das ist eine andere Geschichte.
Wir merken: Damit es auch mit den Nachbarn klappt, braucht es mehr als glänzend sauber gespülte Gläser. Daher schließe ich mit einer Handvoll Tipps für mehr Harmonie in der Nachbarschaft, die in meinen Augen eigentlich selbstverständlich sind. Aber man sollte nie von sich auf andere (Nachbarn) schließen.
Tipps für mehr Harmonie in der Nachbarschaft
- Beim Einzug den neuen Nachbarn persönlich vorstellen
- Im Treppenhaus und auf der Straße grüßen
- Geliehene Dinge (zeitnah) zurückgeben
- Keinen Müll und Hausrat im Treppenhaus deponieren
- Müll korrekt entsorgen (richtige Tonne und Kartons platt machen)
- Nicht mitten in der Nacht Duschen oder Baden (Mehrfamilienhäuser)
- Bei lautstarken Liebesspielen die Fenster schließen
- Mittags- und Nachtruhe respektieren
- Auch mal ein Paket für die Nachbarn annehmen
- Putz- und Schneeräumpläne einhalten
In diesem Sinne: Auf gute Nachbarschaft.
Ach ja, neulich habe ich noch einen Spruch auf einer Postkarte gelesen, der hier gut als Schluss-Satz passt:
„Der nette Nachbar schmeißt gerade den Grill an. Das heißt, ungefähr eine halbe Stunde warten, bevor ich ihm den Akkuschrauber zurückbringe.“
rhytm is a dancer