In Deutschland fallen jährlich etwa 19 Millionen Tonnen Verpackungsmüll an, davon allein 3,2 Millionen Tonnen Kunststoffe. Bettina hat genau das Gegenteil versucht und im Januar eine 100 Tage Plastikfrei Challenge gestartet. Uns berichtet sie von ihren Erfahrungen. Ist es überhaupt möglich, den Bergen an Verpackungsmüll zu entkommen?
Frag Mutti: Tag 1 von 100, was waren deine ersten Gedanken?
Bettina: Ich war total unvorbereitet und alles, was ich in die Hand genommen habe, war mal in Plastik verpackt. Bei 100 Tagen hat man ja die Zeit, sich ein Projekt nach dem anderen vorzunehmen. Es ist nicht möglich, sich von heute auf morgen komplett umzugewöhnen. Das erste Projekt, was ich dann angegangen bin, war plastikfreies Klopapier. Dieses Problem hat auch wirklich Wellen geschlagen. Einer hat mir geschrieben, dass es im DM plastikfreies Klopapier gibt, eine Bekannte hat mir vier Rollen vom Rewe mitgebracht und eine Freundin von mir hat sogar einen Lieferanten für die Industrie aufgetrieben. Da habe ich dann einen ganzen Karton mit 36 Rollen bekommen.
Frag Mutti: Du hattest also auch viel Unterstützung aus deinem Umfeld. Hat dich die Challenge auch mal sozial eingeschränkt, weil du die „Spaßbremse“ sein musstest?
Bettina: Ja das war schon teilweise eine Hemmschwelle, aber ich bin da gütig mit mir geworden. Ich habe also nicht angefangen, wenn ich bei Freunden war, zu sagen: „Ne die Nüsse oder der Kaffee war mal in Plastik verpackt, das esse und trinke ich nicht.“ Auch im Alltag war das manchmal schwierig. Ich bin zum Beispiel einmal zu einer kleinen Käserei gefahren, weil ich mir erhofft habe, da Quark aus dem Glas zu finden - leider nicht erfolgreich. Also habe ich extra nicht den Quark gekauft, sondern ein Stück Käse aus der Theke. Aber was machen die mit dem Käse? Die packen ihn in Plastik ein. Und dann dachte ich mir auch, mache ich jetzt hier einen Zwergenaufstand und gehe wieder? Im Nachhinein habe ich mich dann über mich geärgert. Da hätte ich eigentlich etwas sagen können, aber an dem Tag war ich einfach nicht in der Laune.
Frag Mutti: Was war am schwierigsten zu ersetzen?
Bettina: Süßigkeiten. Unser Schweizer Fahrer bringt immer so Leckereien mit und die stehen dann da für alle zugreifbar. Und dann zu sagen: „Ne du bist aus Plastik, dich esse ich nicht“, ist schon schwer. Ich habe dann auch mal Schokolade gekauft, die in Papier und Alufolie eingepackt war. Aber da habe ich auch gedacht, du verarschst dich hier gerade selbst. Das eine ist nicht besser als das andere.
Frag Mutti: Bist du irgendwo auf Plastik gestoßen, wo du es gar nicht erwartet hättest?
Bettina: Ja die Verpackungen beim Lieferanten. Eine Freundin von mir arbeitet bei einem Großimporteur, der Rohware für Bioprodukte aus der ganzen Welt nach Deutschland importiert. Und da kam das Thema auf, dass ich im Bioladen oder anderen Supermärkten Lebensmittel unverpackt kaufen kann. Aber bis diese Produkte so im Regal liegen, wurden sie für den Transport schon fünf Mal verpackt. Das war auch der Moment, wo ich meine Challenge etwas ausgeweitet habe. Ich möchte möglichst regional und saisonal direkt beim Erzeuger kaufen. So spart man sich diese ganzen Schritte und mir ging es in meiner Challenge ja auch hauptsächlich um Verpackungsmüll.
Frag Mutti: Ist das dann nicht einfach die Schuld der Industrie, dass alles in Plastik verpackt ist und nicht die der Verbraucher?
Bettina: Ich glaube da macht man sich das zu einfach. Wenn man zum Beispiel vergleicht, was es vor 10/15 Jahren an Bio-Artikeln im Supermarkt gab und was es heute gibt, ist das ein riesiger Unterschied. Und das kam einfach, weil die Nachfrage gewachsen ist. Wir leben in einer freien Marktwirtschaft und da hat auch der Nachfrager seine Verantwortung. Wenn man sich umhört, ist es erstaunlich, wie viele Möglichkeiten es gibt. Ich hätte auch nicht gedacht, dass es beispielsweise plastikfreies Klopapier gibt.
Frag Mutti: Aber was bringt das, wenn ich mich als Privatperson so einschränke und andere immer noch tonnenweise Plastik produzieren? Ist das nicht frustrierend?
Bettina: Also bei mir war das eher so ein „Wow-Effekt“. Ich habe super viele Rückmeldungen bekommen. Einige haben mir auch geschrieben, dass sie bestimmte Sachen übernommen haben oder haben mir berichtet, dass sie heute auch plastikfrei einkaufen waren. Schon allein meine Challenge hat so eine kleine Welle geschlagen. Das ist schön, wenn man da andere ein bisschen mitreißen kann und sich gegenseitig unterstützt und bestärkt.
Frag Mutti: Findest du es mittlerweile unverantwortlich, wenn man sich keine Gedanken über einen nachhaltigen Lebensstil macht?
Bettina: Das ist eine harte Aussage. Man muss jeden in seiner Lebenssituation abholen. Wenn jetzt jemand einen finanziellen Engpass hat und einfach andere Themen wichtig sind, muss man da ein bisschen aufpassen. Es ist immer leicht mit dem Finger auf andere Leute zu zeigen und zu sagen: „Hey das ist unverantwortlich!“ Wichtig ist einfach, dass man das für sich entscheidet und es positiv vorlebt. Das ist glaube ich angenehmer für alle.
Frag Mutti: Was ist dein Tipp für alle, die auch möglichst auf Plastik verzichten möchten?
Bettina: Also am leichtesten ist mir die Challenge im Bad gefallen, da bin ich wirklich komplett plastikfrei. Ich benutze zum Beispiel Wascherde. Das ist im Prinzip das gleiche wie Heilerde, also sehr fein gemahlener, gewaschener Lehm. Das mischt man an wie Henna und ist total cremig und angenehm. Bei festen Seifen habe ich auch schlechte Erfahrungen gemacht, habe da jetzt aber auch etwas für mich gefunden. Welche Seife funktioniert, kommt ganz auf die Haarstruktur an.
Ich mache auch meine Zahnpasta selbst. Die besteht aus Kokosbutter, Natron, Minzöl und noch einem Öl gegen Entzündungen. Wer will kann noch Heilerde hinzugeben. Generell kann man aus Kokosbutter ganz viel selbst machen, zum Beispiel auch Körperlotion. Für mich ist es immer gut Grundsubstanzen zu haben, mit denen ich verschiedene Sachen machen kann. Natron benutze ich beispielsweise auch zum Putzen.
Und ich würde es jedem ans Herz legen, regional einzukaufen. Gerade bei Gemüse ist das gar keine Schwierigkeit mehr und wenn man direkt beim Erzeuger kauft, spart man sich einfach viele Verpackungen.
Frag Mutti: Du bist jetzt gerade bei Tag 60, wie geht es nach den 100 Tagen weiter?
Bettina: Also im Bad plastikfrei zu werden hat mich keine großen Anstrengungen gekostet und das werde ich auf jeden Fall beibehalten. Auch, dass ich in Hofläden einkaufen gehe, werde ich weiter so machen. Andere Sachen werden sich bestimmt wieder einschleichen. Zum Beispiel beim Kauf von Käse oder Fleisch. Da werde ich wahrscheinlich nicht immer eine Glasschale dabeihaben und gerade beim Metzger machen die das auch nicht so gerne. Da gibt es einfach bestimmte Hygienevorschriften. Ich möchte aber ab jetzt so eine Art Challenge einmal im Jahr machen. Einfach, um mein Bewusstsein zu schärfen.
Wahrscheinlich ist Plastik für die Industrie billiger und leichter zu verarbeiten.
Auf dem Wochenmarkt muss ich die dünnen Plastiktüten nicht nehmen und mir meine Ware in eine mitgebrachte Tasche füllen lassen.
Und was da alles, auch bei FM-Rezepten in Plastikfolie engewickelt oder damit abgedeckt wird … Ich habe dieses Zeug schon immer gehasst.
Jede/r wird doch wohl einen Deckel oder Teller haben, mit dem eine Schüssel abzudecken kann. Oder eine Tupperschüssel, in der man den Teig ruhen oder entspannen lassen kann, ohne dass er austrocknet.
Ist schon klar, das ist auch Plastik, aber wieder verwendbar und anscheinend eh reichlich vorhanden.
Man kann nicht von jetzt auf gleich komplett auf Plastik verzichten, aber viele kleine Schritte bringen auch was.
radfahrende Mutti
Denn nicht immer ist GAR KEIN PLASTIK die sinnvollere Variante. Jetzt wird zum Beispiel geraten, bargeldlos zu bezahlen, also mit Plastikkarte, weil die Verwendung von Bargeld unhygienischer ist.
Außerdem: mit der Anstrengung, die es braucht, dass eine Person Null Plastik verwendet, können Tausende ihren Plastikkonsum so einschränken, dass am Ende mehr Einsparung erreicht wird.