Über 100 Jahre lang galt Kalkstickstoff als Allround-Wunderwaffe im Garten. Als wachstumsfördernder Dünger und bei der Schädlingsbekämpfung war er nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in privaten Gärten beliebt. Nun warnen verschiedene Behörden vor seinem Einsatz - und folgen damit auch Forderungen aus der Bevölkerung.
Unkraut? Dagegen haben viele Gärtner:innen lange Zeit gerne und reichlich Kalkstickstoff eingesetzt. Mit ihm lässt sich Rasen in ein unkrautfreies, englisches Vorzeigemodell verwandeln. Und auch Brennnesseln bekämpfen mit Kalkstickstoff hielten manche Gartenbesitzer:innen viele Jahre lang für eine gute Idee. Doch die Zeiten, in denen wir mit einem unbedarften Griff in die chemische Giftküche unsere Gärten nach Lust und Laune formen konnten, sind vorbei. Zum Glück. Immer mehr Stoffe stehen auf der roten Liste verschiedener Umweltbehörden und Forschungsteams. Nun spricht sich die europäische Chemikalienagentur (ECHA) klar gegen die Verwendung von Kalkstickstoff als Düngemittel aus.
Überdüngte Böden, belastetes Grundwasser
Das Umweltbundesamt hat das Problem ebenfalls erkannt. Jedes Jahr gelangen laut ihm „50 Kilogramm Stickstoff (...) in Deutschland pro Kopf in die Umwelt. Auch Hobbygärtner können helfen, dass es weniger werden.“ Mit diesem Aufruf macht das Amt derzeit auf einen Aspekt des Kalkstickstoffproblems aufmerksam: überdüngte Böden, belastetes Grundwasser und freigesetzter Feinstaub. Das Amt fasst deshalb zusammen: „In Deutschland sind 27 Prozent der ca. 1.000 Grundwasserkörper wegen zu hoher Nitratwerte nicht in dem von der EU-Wasserrahmenrichtlinie geforderten ‚guten Zustand‘. Das Nitrat von den Feldern kann sich mittelfristig auch auf unsere Trinkwasserversorgung auswirken.“
Anwendung schädlich für die Gesundheit
Kalkstickstoff, auch bekannt als Perlka, CaCN 2 oder Calciumcyanamid, rückt nun allerdings noch aus weiteren Gründen in den Fokus der Öffentlichkeit. Die ECHA jedenfalls hat bei der Europäischen Kommission die Empfehlung abgegeben, Kalkstickstoff nicht länger als Dünger zuzulassen. Grund dafür sind Studien, laut denen Calciumcyanamid nicht nur Gewässer verunreinigt, sondern auch die menschliche Gesundheit schädigt.
Auch der Wissenschaftliche Ausschuss „Gesundheits- und Umweltrisiken“ (SCHER) der Europäischen Kommission warnt bereits seit Jahren vor Umwelt- und Gesundheitsrisiken durch Perlka. Die Kommission geht in ihrem Bericht explizit auf den privaten Gebrauch ein. Sie warnt vor einer direkten Gefährdung bei der Anwendung selbst, für Anwesende und besonders für Kinder.
Stickstoff und Kalk gegen Unkraut
Bislang ist Kalkstickstoff noch ein beliebtes Düngemittel, das in der Europäischen Union nach wie vor zugelassen ist. Generationen von Gärtner:innen haben mit Kalkstickstoff meist gute Erfahrung gesammelt. Sie haben Kalkstickstoff als Unkrautvernichter eingesetzt, ihre Pflanzen und Rasen damit gedüngt und unerwünschte Schädlinge in den Griff bekommen. Kalkstickstoff beinhaltet schließlich nicht nur Stickstoff, sondern auch reichlich Kalk. Diese Mischung wirkt nicht nur herbizid, fungizid und bakterizid, sondern gleichzeitig auch noch als Stickstoffdünger. Doch zu welchem Preis?
Forschungsergebnisse bestätigen hinlänglich den subjektiven Eindruck, den viele Hobbygärtner:innen längst am eigenen Leib erfahren haben: Kalkstickstoff reizt die Schleimhäute und kann beim Einatmen zu starken Schwindelgefühlen und Kopfschmerzen führen. Darüber hinaus kann es den Puls beschleunigen und sogar zu Atemnot bis hin zum Kreislaufkollaps führen.
Offizielles Verbot abwarten oder gleich handeln?
Produzenten von Kalkstickstoff weisen dagegen darauf hin, dass die offizielle Empfehlung der Europäischen Union noch aussteht. Zudem gebe es nach der Verbotsbestätigung noch eine mehrjährige Karenzzeit, in der CaCN 2 weiterhin verkauft und verwendet werden darf. Doch die Beurteilung der ECHA ist ebenfalls eindeutig: Cyanamid schadet Makroorganismen, Organismen in Oberflächengewässern sowie im Boden und beeinträchtigt das Grundwasser, bis hin zu Auswirkungen auf das menschliche Hormonsystem. Mit diesem geballten Wissen verzichten nicht nur viele Hobby-Gärtner:innen auf Perlka. Auch die ökologische Landwirtschaft sucht längst nach Alternativen.
Dass Kalkstickstoff bislang noch nicht offizielle verboten wurde, liegt auch an widersprüchlichen Gutachten. Diese heben die sicher vorhandenen, positiven Eigenschaften der Wirkung von Kalkstickstoff hervor. Ein Versuch der TU München kam sogar zum Ergebnis, dass CACN2 positiv auf die mikrobiologische Aktivität im Boden wirke. Doch wie auch immer es in der Landwirtschaft, bei Ämtern und mit gesetzlichen Verboten samt Fristen weitergeht – in privaten Gärten findet längst ein Umdenken statt. Wer einmal Kalkstickstoff auf seinen Kompost gekippt hat und zusehen musste, wie dieser daraufhin die pralle Fülle an enthaltenem Leben ausgehaucht hat, lässt längst die Finger davon. Und auch Regenwurm-Fans machen bereits seit Jahrzehnten einen großen Bogen um CaCN2.
DIY-Dünger für die Zukunft
Auch das Umweltbundesamt empfiehlt: „Vor allem beim Anbau von Obst und Gemüse sollten Hobbygärtnerinnen und -gärtner mineralische, stickstoffhaltige Düngemittel äußerst sparsam und gezielt einsetzen. Am besten düngen Sie nur so viel, wie die Pflanzen für ihr Wachstum wirklich benötigen und nur dann, wenn die Pflanzen die Nährstoffe aus dem Dünger auch aufnehmen können.“ Zum Glück gibt es für das Düngen außerdem wunderbare, kostengünstige, nicht-giftige und umweltschonende Alternativen zu Kalkstickstoff, die wir dir im Tipp Kleines ABC für DIY-Dünger sehr ans Herz legen. Denn aus Bierresten, Eierschalen, Kaffeesatz und Co. zauberst du – auch mit Hilfe von unseren besten Gartenfreunden, den Regenwürmern - in Windeseile einen individuellen, umweltschonenden DIY-Dünger. Und damit hat die chemische Keule ausgedient.
Aber trotzdem muss man sagen, dass dieser Beitrag nur so strotzt von Hausfrauen-Weisheiten und Halbwahrheiten. Er ist äußerst schlecht recherchiert. Man kann gar nicht einzelne Beispiele aufzählen. Der gesamte Kontext des Beitrages ist fachlicher Murks ... wenn auch die Grundaussage (Das Produkt ist nicht umweltfreundlich.) per se richtig ist.
Ein Auszubildender würde für diese Leistung in einer Prüfung maximal die Note 4 bekommen.
Er von SieErPaar
Ich bin auch skeptisch bei "guter" Natur contra "böser" Chemie, sehe hier aber keine grundsätzlichen Fehler. Ich würde sagen, die Dosis machts: ein wenig Dünger ist sinnvoll, aber mit Überdosierung Unkraut zu vernichten ist Unsinn. Chemikalien in den Händen von Laien ist immer gefährlich: sie kapieren einfach nicht, daß man seine Augen und Atemwege schützen sollte..
Durch die Erfindung des Kunstdüngers wurde die Gefahr des Hungers in der Welt deutlich reduziert - allerdings brachte die Stickstoff-Chemie auch die Bevölkerungs-Explosion und Massenproduktion von Schießpulver.
- KS in die "chemische Giftküche" einzuordnen, halte ich für abwegig. Es handelt sich definitiv nicht um Gift und es ist auch nicht wirklich ein chemisches Produkt.
- Die ECHA spricht sich nicht "gegen den Einsatz von KS" aus, sondern spricht sich "für einen maßvollen Einsatz" aus. Selbst wenn sie GEGEN den Einsatz wäre, wäre es kein Verbot. Die ECHA kann gar nichts verbieten.
- Eine ursächliche Verbindung aus KS und Feinstaub abzuleiten, finde ich ziemlich gewagt. Das habe ich so noch nie gehört. Das stimmt so nicht, weil es sich um wasserlösliche Stoffe handelt.
- Die Nitratbelastung des Grundwassers entsteht fast ausschließlich durch den übermäßigen Einsatz von Gülle. Man bedenke, dass KS vergleichsweise teuer ist. Gülle ist ein Abfallprodukt, dass quasi umsonst im Übermaß anfällt. KS dagegen muss gekauft werden. Daher wird es schon aus wirtschaftlichen Erwägungen nicht unendlich ausgebracht.
Das muss als Beispiel reichen.
Er von SieErPaar