Laut dem Verband deutscher Musikschulen steht die Gitarre auf Platz zwei der Beliebtheitsskala von Musikinstrumenten. Nur das Klavier kann die gute alte Klampfe noch toppen. Zu Recht. Eine Gitarre ist meiner Meinung nach das vielseitigste Instrument überhaupt. Mit relativ wenig Aufwand kann jeder eine Handvoll Akkorde lernen, mit denen sich unzählige Lieder begleiten lassen. Und im Gegensatz zum Klavier ist eine Gitarre leicht zu transportieren. Wer hat schon mal am Lagerfeuer einem Pianisten gelauscht? Der gesellige Aspekt einer Gitarre macht aus jeder Party, dem Grillabend oder besagtem Lagerfeuer ein unvergessliches Erlebnis. Grund genug also, die in Vergessenheit geratene Gitarre vom Speicher oder aus dem Keller hervorzukramen, um alte Kenntnisse aufzufrischen oder neue zu erwerben. Meine Erfahrung hat mich gelehrt: In nahezu jedem deutschen Haushalt existiert ein solch verborgenes Schätzchen. Vielleicht lagert es auch bei den Eltern oder den Kindern, die UNBEDINGT Gitarre lernen wollten. Damals, bevor sie ihr erstes Smartphone bekamen.
Lange in der Ecke zu stehen, macht einer Gitarre technisch gesehen nichts aus. Trotzdem sollte man ein lange nicht gespieltes Instrument einer gründlichen Inspektion und eventuell einiger kleinerer Wartungen unterziehen, um ein gut bespielbares Instrument zu erhalten. Die notwendigen Arbeiten sind auch für den Laien leicht durchführbar. Hat die Gitarre allerdings Risse oder andere schwere Beschädigungen, muss ein Fachmann ran. Dabei stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit: Die Kosten einer Reparatur beim Gitarrenbauer können schnell die Anschaffungskosten einer 200-Euro-Gitarre übersteigen. Die folgenden Wartungstipps beziehen sich daher auf „ungepflegte“ und nicht auf kaputte Gitarren. Alle Angaben gelten für den am weitesten verbreiteten Gitarren-Typ, die sogenannte „Klassische Gitarre“ oder „Konzertgitarre“ mit Nylonsaiten. Hier seht ihr das Foto einer solchen Gitarre mit den wichtigsten Bezeichnungen:
von Martin Möller (Eigenes Werk) [CC BY-SA 2.0 de], via Wikimedia Commons
Bestandsaufnahme
Untersucht die Gitarre gründlich auf eventuelle Risse, die vorwiegend im Korpus auftreten. Kratzer und Lackschäden beeinträchtigen die Qualität des Instrumentes nur optisch, vergleichbar mit einer Blinddarm-Narbe. Keine Risse vorhanden? Super. Dann dreht einmal versuchshalber an einem der Wirbel der Mechanik. Sind sie schwergängig, quietschen oder lassen sich gar nicht drehen? Wenn ja, dazu später mehr. Schaut euch das Griffbrett an. Sind alle Bundstäbchen noch an ihrem Platz? Hoffentlich ja, sonst braucht ihr den Fachmann. Ob noch alle Saiten vorhanden sind ist unwichtig, denn: Einen neuen Satz Saiten müsst ihr eurer Gitarre in jedem Fall spendieren. Haltet die Gitarre der Länge nach vor euer Gesicht und schaut über den Gitarrenhals, wie über einen Gewehrlauf. Der Hals sollte gerade sein mit einer höchstens minimalen Wölbung im Millimeterbereich nach innen.
Lässt die Gitarre bei diesem ersten Check keine schweren Beschädigungen erkennen, solltet ihr euch das passende Equipment für die Reanimation zurechtlegen. Ihr braucht:
- Einen Satz Nylonsaiten (nehmt nicht den billigsten, ich empfehle Saiten von D’Addario, Augustine oder Savarez für acht bis zehn Euro)
- Nähmaschinen-Öl (für die Mechaniken)
- Feine Stahlwolle der Stärke 0000 (nur wenn Hals und Bundstäbchen stark verschmutzt sind)
- Möbelpolitur
- Milden Haushaltsreiniger oder Spülmittel
- Einen weichen Lappen
- Eine alte Zahnbürste
Zuerst entfernt ihr die alten Saiten. Dabei UNBEDINGT erst alle Saiten durch Drehen an den Wirbeln lockern. Auf keinen Fall die noch gespannten Saiten durchschneiden, es droht Verletzungsgefahr. Wie auf dem Foto oben zu erkennen ist, besteht die Gitarre aus drei wesentlichen Komponenten: Kopf, Hals und Korpus. Wir beginnen mit dem Pflegeprogramm am Kopf.
Kopf
Mit der Zahnbürste reinigt ihr die Zahnräder und die Schneckengewinde der einzelnen Stimmwirbel. Anschließend gebt ihr auf jede Mechanik einen Tropfen Öl und dreht solange an den Wirbeln, bis sie sich ohne großen Kraftaufwand bewegen lassen. Dann reinigt ihr das Holz des Kopfes mit einem leicht angefeuchteten Lappen und mildem Haushaltsreiniger (Spülmittel) und reibt es trocken. Abschließend behandelt ihr die Holzoberfläche mit Möbelpolitur.
Hals
Das auf den Hals geleimte Griffbrett mit den Metall-Bundstäbchen besteht in der Regel aus Hartholz. Ihr könnt bei starker Verschmutzung und korrodierten Bundstäbchen also bedenkenlos mit feiner Stahlwolle vorarbeiten. Dabei sehr vorsichtig mit wenig Druck die Bundstäbchen und das Holz der Zwischenräume säubern. Anschließend, oder bei nur leichter Verschmutzung, wischt ihr das Griffbrett und die Halsrückseite feucht ab. Nach dem Trocknen bearbeitet ihr das Griffbrett mit einem weichen Lappen und Möbelpolitur. Wer der Gitarre etwas besonders Gutes gönnen möchte, besorgt sich Lemon-Oil (von Dunlop, Fachhandel oder amazon) und verwendet es anstelle der Möbelpolitur.
Korpus
Der gesamte Korpus kann bedenkenlos mit einem feuchten Lappen und mildem Reiniger gründlich abgewischt werden. Hierbei besonders auf die Ecken und Kanten rund um den Steg und den Halsansatz achten. Auch hier ist Möbelpolitur wieder das Mittel der Wahl für das Finish. Sie ist wesentlich preisgünstiger als spezielle Gitarren-Pflegeprodukte aus dem Fachhandel und erfüllt ihren Zweck genauso gut.
Saiten aufziehen
Nachdem euer Schätzchen in neuem Glanz erstrahlt, kommt die für Laien schwierige Prozedur des Saitenaufziehens. Ihr kennt jemanden, der Gitarre spielt? Wunderbar. Bittet ihn um Hilfe und schaut ihm genau auf die Finger, während er die Saiten aufzieht. Oder ihr schaut euch ein Video-Tutorial zu dem Thema an. Ein vorbildlich gemachtes Video findet ihr hier: Saiten aufziehen bei der Klassik-Gitarre
Und nun: Viel Spaß beim Üben und Musizieren.
Herzlichen Glückwunsch nachträglich zum Geburtstag, Kriss!
Danke, das freut mich sehr... :)