In der Vorweihnachtszeit und auch beim Weihnachtsfest an sich stehen Kinder und ihre Wünsche häufig im Mittelpunkt. Während meiner aktiven Zeit als Erzieher in einem Berliner Schülerladen ließen mich Eltern in vertraulichen Gesprächen gelegentlich hinter ihre „Weihnachtsfassade“ blicken. Sätze wie: „Ohne die Kinder würde ich den ganzen Zirkus gar nicht mitmachen“ oder „Seitdem die Kinder da sind, stellen wir auch wieder einen Weihnachtsbaum auf“ haben mich schon damals immer nachdenklich gestimmt. Bei solchen Äußerungen wurde mehr als deutlich, dass viele der Erwachsenen ein eher gespaltenes Verhältnis zu Weihnachten haben, es ihren Kindern zuliebe aber trotzdem irgendwie zelebrieren. Mit der Betonung auf „irgendwie“, denn feste Regeln für ein garantiert harmonisches Weihnachtsfest gibt’s ja bekanntlich nicht. In den meisten Familien werden die Feiertage von den Erwachsenen wohl am ehesten so gestaltet, wie es aus der eigenen Kindheit in Erinnerung geblieben ist. Oder völlig anders, wenn diese Erinnerungen eher gruselig sind und man sich bereits als Kind geschworen hat: „Wenn ich mal groß bin, mache ich alles ganz anders.“
Advents-Alltag im Schülerladen
Auf jeden Fall haben wir es als Erzieherteam im Schülerladen als unsere Aufgabe verstanden, die Kinder in der Adventszeit in eine entspannte und aufgeschlossene Grundstimmung zu versetzen. Hibbelige Aufregung, oder um es mal etwas positiver zu formulieren „freudige Erregung“ haben die Kids schon mehr als genug von daheim oder aus der Schule mitgebracht, dafür brauchten wir definitiv nicht zu sorgen. Es gab im Dezember jeden Tag nach der Hausaufgabenzeit ein kleines Adventsritual, das folgendermaßen ablief:
Der wagenradgroße (natürlich mit den Kindern selbstgebastelte) Adventskranz wurde aus seiner sicheren Position in Deckennähe am Seil zu Boden gelassen und die Kinder haben sich im Kreis außenherum gesetzt. Dann wurde ein Lied mit Gitarrenbegleitung gesungen, oft etwas weihnachtliches, aber nicht zwingend. Es durfte auch gerne mal Nenas „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ oder „What shall we do with the drunken sailor“ sein. Hauptsache singen, um die reichlich vorhandene überschüssige Vor-Weihnachts-Energie zu kanalisieren. Danach hat ein Erzieher etwas vorgelesen. Zwei Bücher waren die absoluten Favoriten bei unseren Kindern der ersten bis sechsten Klasse: „Das Weihnachtsgeheimnis“ von Jostein Gaarder und „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ von Michael Ende. Extra-Tipp am Rande: Wer die beiden Bücher noch nicht kennt, sollte sie unbedingt lesen, beziehungsweise seinen Kindern vorlesen.
Entspannte Atmosphäre kreativ nutzen
Aus der relativ entspannten Atmosphäre am Ende unseres täglichen Rituals ergab sich oft noch eine ungezwungene Gesprächsrunde, in der ein Punkt immer wieder auftauchte: Was kann ein Kind seinen Eltern zu Weihnachten schenken? Mama nach Geld für ein Papa-Geschenk zu fragen und umgekehrt, erschien unseren erstaunlich reflektierten Kids ebenso absurd, wie ich es selbst aus meiner eigenen Kindheit noch in Erinnerung hatte. Natürlich hätten die Kinder auch einen Teil ihres Taschengelds nutzen können, um Geschenke zu kaufen, aber letztendlich wäre das Geld doch immer noch „Elterngeld“ und damit kein eigenes gewesen.
Entgegen der bei einem Elternabend (zu meinem Erstaunen) vorherrschenden Meinung, war es den Kindern aber sehr wohl ein Bedürfnis, zu Weihnachten nicht nur etwas zu bekommen, sondern auch selbst etwas zu verschenken. Daher haben wir bei der Planung der Vorweihnachtszeit im Schülerladen immer darauf geachtet ausreichend Angebote zu machen, bei denen die Kinder etwas anfertigen konnten, das sich auch als schönes und individuelles Geschenk eignet. Und damit komme ich an dieser Stelle auch endlich zum eigentlichen Thema dieses Beitrags: Der absolute Geschenke-Hit, speziell bei unseren jüngeren Kids der 1. bis 3. Klasse, waren selbstgeschriebene Elfchen. Bitte was? Genau: Elfchen, und ja, das hat etwas mit der Zahl Elf zu tun.
Elfchen – die ersten eigenen Gedichte
Ein Elfchen besteht aus elf Wörtern, die nach einem festen Versmaß in fünf Zeilen angeordnet werden. Das Schema orientiert sich in erster Linie an einer strukturellen Vorgabe und lässt sich folgendermaßen erklären:
- Finde ein schönes Substantiv (Nomen, Hauptwort), beispielsweise einen Gegenstand, eine Farbe oder einen Geruch. Das Substantiv bestimmt maßgeblich den weiteren Verlauf des Geschehens – ein Wort lang
- Beschreibe das Substantiv mit Adjektiven oder Adverbien ein wenig genauer und mache es lebendig – zwei Worte lang
- Beschreibe, was geschieht oder wohin sich das Substantiv entwickelt und bewegt – drei Worte lang
- Schreibe deine eigenen Empfindungen zu dem Wort (dem Thema), was du fühlst oder machst – vier Worte lang
- Finde ein zusammenfassendes Schlusswort, quasi ein Fazit der vorausgehenden vier Zeilen, komme zu einem Ergebnis – ein Wort lang
Das sieht erst einmal ziemlich theoretisch (langweilig?) aus, wird aber spannend, sobald es mit Leben gefüllt wird. Ein Beispiel, passend zur Adventszeit:
Adventskranz
rundes Grün
Kerzen brennen stetig
Wir schweigen in Andacht
Wartezeit
Es gibt beim Elfchen keine thematischen Vorgaben, erlaubt ist was gefällt und sich in die stets gleiche, feste Form bringen lässt. Auch die Entscheidung, ob sich das Geschriebene reimt oder nicht, bleibt dem Schreibenden überlassen. Kinder fühlen sich erstaunlich schnell in dieser einfachen Gedichtform zuhause und können ihrer Phantasie und den Themen, die sie bewegen, freien Raum lassen. Wenn das fertige Elfchen sorgfältig auf eine schöne, selbst gestaltete Karte geschrieben wird, ist es ein tolles und sehr persönliches Weihnachtsgeschenk, über das sich (erfahrungsgemäß) Eltern und Großeltern sehr freuen. Mit etwas älteren Kindern (4. bis 6. Klasse) bietet sich die komplexere Gedichtform des Haiku an. Wenn Interesse daran besteht, wie ein Haiku aufgebaut ist und mit Kindern geschrieben werden kann, schreibt es in die Kommentare – ich würde dann bei Gelegenheit einen Beitrag dazu verfassen. Noch ein Elfchen zum Schluss:
Mutti
weiß alles
viele Fragen drängen
Ich frage ohne Eile
Wissensdurst
Schweißhundeschmusebeauftragte
Ich habe mal eine kreative Pause eingelegt und ein weihnachtliches Elfchen verfasst:
Weihnachtsgebäck
süße Verführung
Hüften verbreitern sich
Frau macht einen Diätplan
Neujahrsvorsätze
😁
Kreativling
Schweißhundeschmusebeauftragte
Danke für den "fetten" Lacher zu später Stunde, ganz toll :-)
Ich habe einfach mal das letzte Wort in deinem Elfchen als erstes in meinem benutzt:
Neujahrsvorsätze
jährliches Ritual
klappt es diesmal?
Ich hab' meine Zweifel
Wiederholungstäter...
Wiederholungstäter
an Weihnachten:
ein guter Vorsatz!
Iß' nicht so viel!
Traumtänzer!!
rhytm is a dancer
- nadelt heftig
- Nadeln fallen herunter
- uns nervt der Dreck
- Staubsauger
* macht Spass *
Ich hätte auch Interesse an Haikus 😊