Ich möchte euch heute die kürzeste Gedichtform der Welt vorstellen: Haiku. Haikus kommen ursprünglich aus Japan, werden inzwischen aber weltweit geschrieben. Die kurzen Gedichte besitzen einige typische Merkmale, die sie auszeichnen – die man aber nicht zwingend strikt verfolgen muss.
Merkmale von Haikus
Traditionell bestehen Haikus aus drei Zeilen und insgesamt 17 Silben (5 – 7 – 5). Die meisten Haiku-Dichter haben sich jedoch von dieser strikten Form entfernt, um den Fokus stärker auf den Inhalt legen zu können. Sonst passiert es schnell, dass man Wörter oder Sätze künstlich verkürzt bzw. verlängert, um den 17 Silben gerecht zu werden.
Gegenstand von Haikus sind häufig die Natur und Jahreszeiten. Die Themen sind gegenwartsbezogen und beschreiben einen konkreten Augenblick oder Sinneseindruck. Gefühle hingegen werden nicht konkret benannt. Ein Haiku lässt oft Raum für subjektive und persönliche Interpretationen.
Zwei oder drei Zeilen bilden manchmal gemeinsam einen Satz, aber auch einzelne Worte können aneinandergereiht werden. Es gibt häufig einen thematischen bzw. inhaltlichen „Bruch“ zwischen den ersten beiden und der letzten Zeile, der zum Nachdenken anregt und ein offenes Ende lässt. Überschriften und Reime gibt es bei der Haiku Gedichtform nicht.
Dichterische Freiheit
Grundsätzlich gilt: Man kann selbst entscheiden, wie sehr man sich an die „Regeln“ halten mag. Die Hauptsache ist schließlich, dass man Spaß am Schreiben hat. Haikus sind eine tolle Möglichkeit, auch für Schreibanfänger, sich auszuprobieren, da sie sehr kurz sind und sich nicht reimen müssen.
Beispiel für ein Haiku
Sonnenuntergang
Die leuchtenden Gesichter
Verblassen wieder
(Udo Wenzel)
Dieses Haiku greift den Bezug zur Natur auf und zeigt die Momentaufnahme einer Wahrnehmung. Auch der inhaltliche Bruch zwischen dem strahlenden Sonnenuntergang und den verblassenden Gesichtern ist für mich erkennbar und gut vorstellbar.
Warum man Haikus schreiben sollte
Es gibt viele Gründe sich ans Haiku schreiben zu wagen.
- Es macht Spaß
- Es ist einfach, da sich Haikus nicht reimen müssen und sie so kurz sind
- Man kann seine Gefühle ausdrücken, ohne sie konkret benennen zu müssen
- Man kann zur Ruhe kommen und dem hektischen Alltag für einen Moment entfliehen, da man sich bewusst auf sich selbst und seine Gedanken fokussiert
- Man schafft etwas Eigenes, das bleibt. Man kann einen besonderen Augenblick festhalten und Sinneseindrücke verarbeiten.
Auswahl meiner Haikus
Ich hoffe sie gefallen euch und das ein oder andere regt zum Nachdenken an. Einige sind im Herbst entstanden. Vielleicht fallen euch ja spezifisch zum anstehenden Sommer welche ein.
Frag Mutti Haikus
Ein paar Haikus, die ein bisschen aus der Reihe tanzen.
Der Rotwein tropft
Auf die frische Bluse
Jetzt hilft nur noch Mutti
Abfluss verstopft
Die Töpfe sind eingebrannt
Du brauchst Backpulver
Wie verwerte ich
Meine Reste vom Vortag
Frag doch mal Mutti
Schreibt gerne eure eigenen Haikus in die Kommentare, wenn ihr Lust habt und bereit seid, sie zu teilen. :-)
sie fielen herunter
erschlugen mich.
Expertin in jeder Lebenslage
Trainerin verrät
ganz ungewöhnlichen Trick
für flacheren Bauch
Sternzeichen: Meistens vage, aber je nach Akzent auch mal wider
Leuchtende Tage.
Nicht weinen, dass sie vorüber.
Lächeln, dass sie gewesen!
Konfuzius
Das kann ich nicht gelten lassen, dass Du nun einfach so erschlagen herumliegst. ? Deshalb noch das:
Die Geigen fiedeln,
sie machen schöne Musik,
zur Freude für dich.
Die Geigen fiedeln:
als sei`s nur für mich.
Doch ich: Kopfschmerz!
😄
Überall Tristesse
Selbst die Kois haben Tränen in den Augen
Grüße aus Dänemark
Das bisschen Haushalt
macht sich ja von alleine
Mutti kann dichten!
ich finde es leichter, weil man die Wörter zählen muss und nicht die Silben. und Gefühle sind auch zugelassen
Dummheit kennt keine Grenzen
Hiffnungslose Fälle