Primtschiss und krosche Krümel und noch ein bisschen mehr: Matjes, eingelegte Heringe, sind eine typische Nordseeküsten Delikatesse. Als ganz besonders fein gelten die sogenannten Primtjes (holländische Bezeichnung für ziemlich kleine Doppelfilets, die noch heute von Hand und milder eingelegt sind).
Die Familie meines Vaters stammt aus der Dittmarscher Gegend, wie man hier sagt: "dicht dran an de‘ See". Dort wird relativ "breit geschnackt" und mit diesem Plattdeutsch bin ich aufgewachsen. Ich liebe diese gemütlich klingende Sprache und weil mein Vater schon lange nicht mehr lebt, höre ich sie kaum noch. Aber im Mai aß er für sein Leben gern Primtschiss mit kroschen Bratskartüffeln, oder Abends Mattschiss-Salat auf Swattbrod.
Ich habe schon als Kind gern in der Küche gebrutzelt. Nur mit den Bratkartoffeln hatte ich den Bogen noch nicht so raus. Oft habe ich sie viel zu schnell und zu heiß gebraten. Fazit, sie zerfielen mir. Papi hat sie trotzdem gern gegessen, aber als ich mit dem Teller um die Ecke kam, fragte er damals "wadd sinn datt denn für Krümel". Daran musste ich beim Schreiben dieses Tipps denken und habe deshalb den Titel in seinem Tonfall gewählt.
Zutaten pro Person
- 2 doppelte Matjesfilets - besonders gut sind die sogenannten Primtjes
Für die Krümel:
- 175 g festkochende am Vortag gekochte Kartoffel, möglichst im Dämpfkörbchen, damit sie gut trocken bleiben.
- 1½ - 2 EL doppelt griffiges Mehl (Dunst / Wiener Griessler), mit "normalem" Mehl geht's auch, wird nur nicht ganz so kross.
- Salz
- Pfeffer
- gem. Kümmel oder Muskat
- Butterschmalz, Schweine- oder Gefügelschmalz sind authentischer
Für die Soße:
- 1 gekochte Kartoffel noch heiß durch die Presse quetschen, kann gern bereits am Vortag mit den restlichen Kartoffeln vorbereitet werden
- 1 große Zwiebel
- Essig
- 1 Eigelb + 1 Eiweiß
- 1 TL Senf
- 50 ml Öl
- 1 hart gekochtes Ei
- 1 Sardellenfilet
- 1 TL Kapern
- 1 kleine Gewürzgurke
- 1 säuerlicher Apfel (ideal Cox oder Boskop)
- 200 g Schmand
- 100 g Frischkäse
- Salz, Pfeffer, Paprika, Zucker
Zubereitung
- Jetzt kommt es auf eure Vorliebe an. Wer den Matjes lieber gekühlt isst, wartet. Alle anderen legen ihn schon mal aus dem Kühlschrank raus.
- Zuerst die Soße zubereiten: Die Zwiebel in ½ Ringe schneiden und in Essig glasig aber bissfest köcheln, durch ein Sieb abgießen - den Sud brauchen wir weiter - Zwiebeln beiseitestellen.
- Den Sud zurück in den Topf, neu aufkochen, dann Kochplatte ausstellen. Das Ei trennen, das Eigelb in einen Rührbecher geben, das Eiweiß in eine Tasse. Mit einem langen Löffel den Sud schnell in eine Richtung rühren, damit sich ein Strudel bildet. Das Eiweiß genau in die Mitte gleiten lassen und solange stocken lassen, bis es fest ist. Mit einem Schaumlöffel rausfischen und später mit dem hart gekochten Ei weiter verarbeiten - den Sud immer noch aufbewahren - er wird zum Abschmecken gebraucht.
- Parallel die Kapern in einem Sieb gut abtropfen lassen, die Flüssigkeit auffangen. Danach auf Küchenpapier sehr gut trocken tupfen (sonst spritzt es gleich gewaltig!). Sie sollen frittiert werden, dafür müssen sie im Öl etwas schwimmen können. Je kleiner der Topf, desto weniger Öl braucht man.
(Ich mache übrigens immer den gesamten Glasinhalt fertig, sind ja nicht so viele. Den Rest lasse ich im Gefrierschrank erst ausgebreitet einfrieren - sie sollen einzeln bleiben und gebe sie später in eine Dose. Der Geschmack dürfte auch diejenigen überzeugen, die sonst einen großen Bogen um Kapern machen.)
- Das Eigelb und den Senf mit einem kleinen Schneebesen verrühren, ca. 1 EL von dem Öl zugeben und so lange rühren, bis es komplett eingearbeitet ist. Dann wieder 1 EL voll zufügen und weiterrühren, immer erst wieder Öl nachgießen, wenn die vorige Portion vollständig "aufgesogen" ist. (Wenn sich wider Erwarten die Emulsion trennt – einen winzigen Schuss kochend heißes Wasser unterquirlen - so kann man die Mayo retten).
- Die Sardellenfilets sehr klein schneiden und mit dem Messer zu Brei zerdrücken/reiben.
- Das hart gekochte Ei halbieren, die Eigelb herausnehmen und mit der durchgedrückten Kartoffel, dem Sardellenmus und etwas von dem Zwiebelessig glatt rühren. Anschließend unter die Mayonnaise ziehen.
- Beide Eiweiß superfein zerhacken. Die Kapern etwas kleiner schneiden und die Gewürzgurke sehr fein würfeln. Bis hierher konnte man den Mixer zum Mischen nehmen. Schmand und Frischkäse unbedingt nur mit einem Löffel einrühren, sie werden sonst "flüssig".
- Zum Schluss den Apfel in feine ca. 2 mm breite Streifen schneiden und zusammen mit den vorbereiteten Zwiebelringen unterheben. Mit Salz, Pfeffer und Paprika sowie einer Prise Zucker abschmecken. Fehlt noch etwas Säure, von dem Essigsud der Zwiebeln etwas zugeben.
- Für die kroschen Krümel die am Vortag gekochten Kartoffeln pellen und mit der groben Reibe in Streifen raffeln. Am besten in eine tiefe Schüssel, sodass diese maximal halb voll wird. Das Mehl mit dem Salz, Pfeffer und Muskat oder Kümmel mischen, über die Kartoffelbrösel streuen und ganz vorsichtig mit den Händen unterheben - dabei mehrmals untergreifen und durch die Finger rieseln lassen - die Streifen sollen möglichst ganz bleiben. Oder Profi-like schwenken - so zerbrechen beim Wirbeln durch die Luft kaum Kartoffelstäbchen und werden dabei gleichmäßig mit dem Mehl überzogen.
- In nicht zu viel Butterschmalz (lieber später etwas nachgeben) bei mittlerer Hitze sehr kross braten, dabei muss man öfters vorsichtig wenden, sonst brennen die Krümel, bedingt durch das Mehl, schnell an. Wenn sie rundum goldbraun sind, kann alles auf einem Teller (ich nehme bei Fisch gern meine ovalen Bratenplatten) angerichtet werden.
Tipp: Die Soße gebe ich in einem Extra-Schälchen auf den Teller, sonst rutscht sie leicht an die Krümel und die werden weich, wäre schade drum.
Guten Appetit!
Ich brauche immer sehr reichlich Soße, daher die große Portion. Bei "Normalos" reicht die Menge für 2 Personen. Wenn bei euch etwas übrig bleibt, könnt ihr dahinein wahlweise Matjes oder Bismarckhering in schmale Streifen geschnitten geben – etwas durchgezogen ist das ein wunderbarer Salat auf Schwarz-, Toast- oder Röstbrot zum Abendessen oder auf Brötchen zum herzhaften Frühstück.
Auch ein Eiersalat ist mit dieser Soße ein Gedicht. Einfach nur hart gekochte Eier in Scheiben oder Würfeln unterziehen.
Klingt aber witzig: Schneidet noch je Ei eine Ananasscheibe aus der Dose in kleine Würfel - himmlisch. Vielleicht noch ein paar Ringe Frühlingszwiebeln obendrauf.
Aufgewachsen bin ich am Niederrhein, ganz in der Nähe der holländischen Grenze. Mein Vater hat neben dem Üblichen - Zigaretten und Kaffee - auch oft Fisch in Holland gekauft und im Mai gab es immer Matjes. Was für ein Genuss!
Leider finde ich hier in meiner Gegend in der Schweiz zwar viele leckere Sachen, Matjes suche ich aber vergebens.
lieben Dank für Dein Rezept. Doch ich konnte es nicht ausprobieren. Es liegt mir völlig fern, Dich verletzen zu wollen.
Das Problem ist nur die unglaubliche Menge an Text. Du bringst derart viele Gedanken und Nebensätze mit ein, dass ich irgendwann kapitulieren musste. Es fiel mir sehr schwer, dem Wesentlichen zu folgen, da ich immerfort Sätze überspringen musste, die Du zur Begründung Deines Handelns eingebracht hast oder wo Du Dein Handeln sehr ausgeschmückt wiedergibst.
Bitte verzeih .,.. vielleicht gelingt es Dir, den Rezeptext etwas auszudünnen und damit etwas handlicher zum stichpunktartigen "überfliegen" zu gestalten.
Herzliche Grüße
Hobko
😀
exzessiv genußsüchtig
IN / OUT ? wohlige Heimatgefühle - oder Frust weil du nicht schlemmen kannst ???
wenn wieder Reisen angesagt ist, komm vorbei - hier gibts das ganze Jahr Matjes ....wenn auch nicht die traumhaften Primtjes. ....kann ich dich damit trösten :-)))
@ Hobko ....du hast eine PN - ich hoffe du hälst 1 DIN A4 Seite durch ;-))