Nörgler gibt es überall: Im Supermarkt, wenn die Kassiererin zu langsam ist, in der U-Bahn, wenn es zu voll ist, im Sommer, wenn es zu heiß, und im Winter, wenn es zu kalt ist. Zu doof, zu blöd, zu irgendwas. Selbst hier bei Frag Mutti gibt es unter den Kommentatoren immer wieder Nörgler, denen ein Tipp nicht passt. Was die Nörgler im Allgemeinen bei ihren Mitmenschen auslösen, lässt sich leicht zusammenfassen: genervte Reaktionen. Was sie allerdings bei sich selbst anrichten, ist schon schwieriger zu erklären. Dafür braucht es einen Neurowissenschaftler wie Professor Tobias Esch, der sich intensiv mit den Themen Glück und Stressbewältigung beschäftigt hat. Er kommt zu dem Schluss, dass die Inhalte unserer Gedanken unser Gehirn nachhaltig verändern. Eine seiner Thesen lautet: „Das Gehirn ist erst mal ein Organ, und wie fast jedes Organ verändert es sich durch Aktivität. Und Denken ist sozusagen die primäre Funktion des Gehirns.“
Bei den Denkprozessen eines Menschen und den daraus resultierenden Empfindungen ist es von ausschlaggebender Bedeutung, was mit welcher emotionalen Grundhaltung gedacht wird. Positive Gedanken aktivieren das Belohnungszentrum im Gehirn und verursachen gute Gefühle. Sind die Gedanken jedoch negativ besetzt, wird die für Angst- und Alarmempfinden zuständige Gehirnregion (der sogenannte Mandelkern) aktiviert. Bevor ein Nörgler losnörgelt, denkt er natürlich erst einmal darüber nach, was er in welchen Worten von sich geben will. Wobei ich ehrlich gesagt manchmal daran zweifle, dass allen Nörgeleien tatsächlich ein Denkprozess vorausgeht. Aber gut. Setzen wir also einen Denkprozess voraus. Dass dieser vor einer Nörgelattacke negativ gefärbt sein muss, liegt auf der Hand. Niemand denkt „Die Kassiererin hat heute aber eine hübsche Frisur“, um dann im nächsten Moment loszupoltern: „Verdammt, warum ist in diesem Saftladen nur eine Kasse geöffnet?“ Nein, der Nörgler denkt negativ und äußert sich dann auch dementsprechend. Sein Gehirn merkt sich diesen Zusammenhang.
Kommt es häufig zu solchen Situationen, „trainiert“ der Nörgler sein Gehirn darauf, die Dinge in seiner Umwelt negativ zu sehen und zu bewerten. Hierzu noch ein Zitat von Professor Esch: „Wenn Sie oft negativ denken, dann werden Sie Situationen in Zukunft eher angstbesetzt erleben als vorher. Oder Sie werden mit einem Filter durch die Welt gehen und tendenziell eher negative Inhalte wahrnehmen.“ Ergo: Die sich entwickelnde Negativspirale verändert die neuronalen Strukturen des Gehirns und in der Folge werden Situationen zunehmend als stressig oder belastend wahrgenommen.
Mir leuchtet das ein. Darüber hinaus bestätigt es meine Beobachtung, dass es Menschen gibt, die wirklich jeder Situation nur das Schlechteste abgewinnen können. Das Glas ist nicht nur immer halb leer, es ist obendrein auch noch dreckig. Sie finden nicht nur das Haar in der Suppe zum Kotzen, sondern das ganze Restaurant ist das Allerletzte. Diese Menschen haben den Negativmuskel ihres Gehirns wirklich bis zur Höchstform trainiert.
Das waren viele schlechte Nachrichten. Jetzt kommt die gute: Der hier beschriebene Prozess funktioniert auch im Umkehrschluss. Soll heißen: Ein permanenter Nörgler kann seinem Gehirn aktiv zu einer positiveren Weltsicht verhelfen. Im Folgenden werden drei leicht umzusetzende Maßnahmen kurz erläutert.
Viel Bewegung
Das klingt banal, aber ausreichend Bewegung bringt nachweislich nicht nur ein gutes Körpergefühl, sondern auch eine positive Geisteshaltung mit sich. Für alle Couchpotatoes, die gerne und ausdauernd über das miserable Fernsehprogramm nörgeln, bedeutet das: Laufschuhe anziehen und los. Wobei „Laufschuhe anziehen“ natürlich je nach Vorliebe durch Radfahren, Schwimmen, Gymnastik, Nordic-Walking oder jede andere Form von Bewegung ersetzt werden kann. Selbst der Spaziergang zur nächsten Pommesbude ist besser als nichts.
Achtsamkeit
Jede auch noch so alltägliche Situation sollte möglichst mit allen Sinnen wahrgenommen werden. Je mehr Facetten man an dem Erlebten entdeckt, desto geringer ist die Gefahr in eingefahrene Negativ-Strukturen zu verfallen. Wer diese Form der, ich nenne es mal „sensitiven Empfindsamkeit“ weiter verfeinern möchte, sollte es mit Yoga oder Meditation versuchen.
Kognitive Umstrukturierung
Das hört sich psychologisch hochtrabend an, lässt sich aber mittels einer einfachen Technik bewerkstelligen. In jeder Situation, die als negativ empfunden wird (und damit auch einen Anlass zum Nörgeln liefert), können diese drei Fragen helfen, die eingefahrene Sichtweise zu ändern:
1. Ist das tatsächlich so?
In vielen Fällen sind es bloße Annahmen und Vermutungen, die zu einer negativen Haltung führen. Wir glauben, dass wir zu spät kommen, nur weil alle Ampeln rot sind, und sind gestresst. Oder wir vermuten, dass uns Kollege XY nicht leiden kann, und fühlen uns in seiner Gegenwart unwohl. Um sich in solchen Momenten nicht in sinnlosen Gedankenschleifen zu verlieren, hilft es, die Frage zu klären, ob der Grund für schlechte Stimmung oder Nörgelei wirklich vorhanden ist.
2. Könnte ich das auch anders sehen?
Vielleicht kann eine Situation, die einem negativ (nörgelwürdig) erscheint, auch etwas Positives mit sich bringen. Kann man etwas daraus lernen? Bietet die (nervige) Wartezeit nicht eine tolle Gelegenheit, Geduld zu üben und sich auf etwas Schönes zu freuen? Ein Perspektivenwechsel kann die negativen Gefühle oft ins rechte Licht rücken und erspart ein Nörgeln darüber.
3. Hilft mir das (genervt sein, nörgeln, jammern) weiter?
Wenn Frage eins mit „Ja, das ist leider tatsächlich so“ und Frage zwei mit „Nein, keine Chance das anders zu sehen“ beantwortet werden müssen, hilft Frage Nummer drei eventuell weiter. Was bringt eine negative Sicht bzw. nörgelige Reaktion? Hilft sie irgendwie weiter? Oder steht sie einer konstruktiven Lösung nur im Weg? Alleine das Hinterfragen der eigenen Gemütslage kann schon helfen eine schlechte Stimmung aufzulösen.
Wenn ich nörgele, weil jemand über einen Tipp nörgelt, dann nörgele ich doch positiv für den Tipp. Wenn jemand mein positives nörgeln benörgelt, dann nörgelt er negativ auf mein positives nörgeln. Also ist nörgeln so oder so ein produktives nörgeln oder ? 😄😄😄