Bei uns seid mittwochs endlich einmal Ihr Kids an der Reihe! Unsere Lotte weiß nämlich ganz genau, dass es auf der Welt ziemlich viele unlogische und rätselhafte Dinge gibt. Deshalb hilft sie euch gerne bei der Suche nach Antworten.
Heute fragt Lenja, 11 Jahre, aus Potsdam:
Liebe Lenja,
bei der Frage wird mir vor Wut ganz heiß. Ich knirsche mit den Zähnen und wackle wild mit den Ohren! Denn stell dir mal vor: Noch vor 60 Jahren durften Frauen in Westdeutschland nicht mal ein Konto bei einer Bank eröffnen! Sie mussten vorher ihre Männer um Erlaubnis fragen. Einen Job durften Frauen sich auch nicht alleine aussuchen. Vor etwas mehr als 100 Jahren durften sie noch nicht einmal wählen.
Für uns heute hört sich das alles nach einem Gruselmärchen an. Fast so schlimm, wie der Teufel mit den drei goldenen Haaren. Dabei ist es noch gar nicht so lange her. Aber warum war das eigentlich so?
Frauen haben damals gekocht, sich um die Kinder gekümmert und sollten schön aussehen. Naja. Ob das wirklich schön war? Lass dir mal von deiner Oma oder Uroma Bilder aus der Zeit zeigen. Dann überlegst du dir, ob du gerne mit engen Röcken, kratzigen Blusen und zugekleisterten Betonfrisuren herum gerannt wärst. Doch damals hat niemand die Frauen gefragt, ob ihnen diese Verkleidung gefällt. Denn Frauenrechte gab es einfach noch nicht.
Also sahen Frauen komisch aus, sollten sich das Denken sparen und haben sich um die Kinder gekümmert. Männer haben dafür gearbeitet und Geld nach Hause gebracht. Deshalb war für die meisten klar: Wer das Geld bringt, hat das Sagen. Heute ist etwas ganz anderes klar: Das war damals mächtig großer Blödsinn!
Immerhin durften vor 200 Jahren Mädchen in Deutschland schon zur Schule gehen. „Höhere Töchterschulen“ hießen die. Nur leider haben Mädchen da nicht zeigen dürfen, was in ihnen steckt. Sie haben nur langweiliges Zeug rund um den Haushalt gelernt. Nähen. Sticken. Knicksen. Dämlich und still aus der Wäsche schauen. Gut, nicht alles im Haushalt ist langweilig – im Gegenteil. Aber wenn ein Mädchen damals eben lieber selber denken und Pfarrerin, Ärztin oder Polizistin werden wollte, konnte sie sich das von der Backe putzen.
Es dauerte nochmal 100 Jahre, bis diese Schulen endlich geändert wurden und Mädchen ähnlich wie Jungs lernen durften. Ein paar Jahrzehnte später gab es dann endlich „Frauenrechte“. Die doofen Betonfrisuren verschwanden – und viele BHs gleich mit. Inzwischen gibt es in Deutschland sogar ein Gesetz, das Frauen dieselben Rechte wie Männern gibt. Mehr Mädchen als Jungen machen jedes Jahr Abitur. Mehr Mädels studieren – und haben außerdem bessere Noten als die Jungs. Und trotzdem verdienen viele Frauen im selben Beruf anschließend immer noch weniger als Männer.
Deshalb, liebe Lenja, lass dir bloß nicht die Butter vom Brot kratzen! Sei einfach du selbst. Wenn alle Menschen gleich sein sollen, dann sollen ja wohl auch alle die gleichen Chancen haben und gleich behandelt werden!
Ich hoffe, ich konnte dir ein kleines bisschen weiterhelfen. Hast du noch andere Fragen? Dann kannst du sie mir gerne schicken
Bis nächsten Mittwoch
Deine Lotte
exzessiv genußsüchtig
Gut, ich hatte das Glück, dass mein Vater schon immer sehr beführwortete, dasss wir unsere eigenen Wege gehen und hätte mir meinen Wunsch nie ausgeredet oder gar verboten.
Wobei ich gerne Intarsientischlerin geworden wäre - dies ging leider nicht ...hast du eine Idee warum?
Du wirst es nicht glauben! - selbst mein Vater durfte mich nicht ausbilden - die Begründung lautete damals - der Betrieb hat keine 2 WCs, damit Damen und Herren getrennte WCs hätten ---- JAAA du liest richtig - bei fremden hätte ich das ja noch kapiert aber bei meinem Vater ! - zu Hause hatten wir ja auch nur eines.
Aber das war Vorschrift und auch die Handwerkskammer wollte keine Sondergenehmigung erteilen - die Männer haben so indirekt noch viele Jahre Mädchen den Zugang zu "Männer"berufen verwehrt.
Einige Klassenkameradinnen hatten auch zu Hause ziemliche Kämpfe .
Am meisten hat mich eine Freundin beeindruckt - sie wurde in Hamburg die erste KFZ Mechanikerin ...Autohäuser hatten für Kundinnen schon getrennte WCs, dass war eine gute Möglichkeit die Vorschrift auszuhebeln.
Einige Jahre später war ich dann die erste Frau in Deutschland (alte Bundesländer), die einen Führerschein für Rettungswagen machen durfte - auch dass nur mit einigem verwaltungstechnischen Hin und Her.
Du siehst - wie gut ihr Mädchen es heute habt - lasst euch bloß nicht die Butter vom Brot nehmen.
Stell dir vor es hätte nach dem Krieg nicht die ganzen Trümmerfrauem gegeben - es waren kaum Männer da, die die Städte wieder aufräumten - als diese aus der Gefangenschaft zurückkamen und wieder verhuschte Hausmütterchen haben wollten - hatten die Frauen erlebt wie stark sie sein können und husteten den Herren so einiges 😂
Wenn du mal einen fantastischen Film zu dem Thema sehen möchtest - Yentl -
ein Mädchen möchte Medizin studieren und das geht nur, weil sie sich als Junge verkleidet.
Offizielles Maskottchen auf Frag Mutti
Ich bin sehr beeindruckt, wir ihr euch gegen die Tendenz der damaligen Zeit durchgesetzt und einfach das Beste aus der Situation gemacht habt. Motorradführerschein und den Führerschein als erste Frau in Deutschland für Rettungswagen ... - Respekt! Vielen lieben Dank für eure spannenden Kommentare.
Solche Geschichten sind für jüngere Generationen unglaublich wichtig und wertvoll. Lernen aus Schulbüchern ist das eine. "Gelebte" Geschichte aus erster Hand ist etwas ganz anderes.
Mit Geschichten wie euren kann ich nicht mithalten. Aber ich war eins der ersten Mädchen, die in einem bis dahin reinen Jungen-Gymnasium zugelassen wurden. Wir waren drei Mädels in der Klasse. Und wir haben in Mathe, Physik und Chemie - häufig auch in Bio - zu hören bekommen: "Da müsst ihr nicht hinhören. Das versteht ihr sowieso nicht."
So etwas gibt es heute nicht mehr. Zum Glück. Wenn ein Mädchen seinen Eltern eine solche Geschichte aus der Schule erzählen würde, gäbe es einen Aufstand. Und das ist auch gut so.
Trotzdem gibt es in Sachen "Selbstverständnis" gerade viel zu tun. Stichwort: "Bulimie". Die Zahlen dazu - vor allem bei den Mädchen, leider aber auch bei Jungs - lassen einem die Haare zu Berge stehen. Deshalb ist es so ungeheuer wichtig, dass wir unserem Nachwuchs den Rücken stärken und gerade den Mädchen immer wieder klarmachen: "Du bist großartig, genau so, wie du bist."
Das seid ihr übrigens auch. ;-) Habt einen schönen Tag!