Als mein langjähriger Hausarzt letztes Jahr in den wohlverdienten Ruhestand ging, wurde seine Praxis von einer jungen Ärztin übernommen. Soweit nichts Ungewöhnliches. Ich hatte der Übergabe meiner Krankenakte zugestimmt und war gespannt auf „die Neue“. Doch bei meinem ersten Besuch in der aufgehübschten Praxis stellte sich schnell heraus: Das würde nichts werden mit uns beiden, also im rein medizinischen Sinn. Die Chemie zwischen uns stimmte einfach nicht, außerdem waren die neuen Designerstühle im Wartezimmer unbequem.
Ich teilte der Ärztin noch in der Sprechstunde meine Entscheidung mit, kein Mitglied ihrer Patientenkartei zu werden. Trotz ihrer beflissenen Professionalität sah ich einen Ausdruck der Erleichterung über ihr Gesicht huschen. Wie gesagt, die Chemie… Wir gaben uns zum Abschied die Hand und ich hatte keinen Hausarzt mehr.
Im Folgenden möchte ich die auf meiner Suche nach einem neuen „Arzt des Vertrauens“ gewonnenen Erkenntnisse mit euch teilen.
Was sind Hausärzte und was leisten sie?
Laut der aktuell verfügbaren Ärztestatistik der Bundesärztekammer (BÄK) gab es im Jahr 2015 bundesweit 371.302 ärztlich tätige Mediziner. Rund 60.000 davon praktizieren als sogenannte Hausärzte. Zu den Hausärzten zählen Allgemeinmediziner, hausärztlich niedergelassene Fachärzte für Innere Medizin und praktische Ärzte ohne Facharztanerkennung. Auch Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde (früher Kinderärzte) zählen zu den Hausärzten.
Neben Apothekern sind Hausärzte in der Regel die erste Anlaufstelle für Menschen mit gesundheitlichen Problemen oder Fragen. Im günstigsten Fall betreut ein Hausarzt seine Patienten über einen langen Zeitraum hinweg. Er kennt ihre Krankheitsgeschichte sowie den persönlichen Werdegang und kann dadurch sehr individuell beraten oder behandeln. Das über Jahre entstandene Vertrauensverhältnis ermöglicht dem Hausarzt oft auch bei psychischen Problemen oder Konflikten einen besseren Zugang zum Betroffenen als dies beim (unbekannten) Spezialisten der Fall wäre.
Gründe für einen Wechsel des Hausarztes
Ob (wie in meinem Fall) der Hausarzt das Pensionsalter erreicht, verstirbt oder in eine andere Stadt umzieht, bleibt sich in der Auswirkung gleich: Er ist nicht mehr verfügbar. Neben diesen offensichtlichen Anlässen, die einen Arztwechsel erforderlich machen, gibt es natürlich private Gründe auf Seiten des Patienten. Ein Umzug, ein (warum auch immer) gestörtes Vertrauensverhältnis, das Gefühl abgefertigt zu werden oder inkompetente Beratung und Behandlung sind nur einige Beispiele. Grundsätzlich gilt: Jedes Gefühl des Unwohlseins beim Arztbesuch, das nicht von einer Krankheit herrührt, sollte ernstgenommen werden. Zum Glück gibt es in Deutschland das Recht der freien Arztwahl.
Rechtslage Krankenakte
Die vom Hausarzt angelegte Krankenakte ist sein Eigentum. Das bedeutet: Er muss sie dem Patienten bei einem Arztwechsel nicht aushändigen. Als Patient hat man aber seit Februar 2013 nach § 630 g BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) Recht auf Einsicht der Akte und kann Kopien oder einen Ausdruck verlangen. Achtung: Der Arzt darf die Kopien mit bis zu 50 Cent pro Seite berechnen. Bei einer umfangreichen Akte kann hier einiges an Kosten zusammenkommen. Die Einsicht kann unter Umständen verweigert werden, wenn (Zitat von Medizinrechtler Dr. Björn Schmitz-Luhn): „…erhebliche therapeutische Gründe dagegen sprechen oder die Rechte Dritter verletzt werden. Diese Möglichkeit wurde vor allem für den psychiatrischen Bereich eingeführt, zum Beispiel, um Patienten vor einer drohenden Selbstgefährdung zu schützen oder den Erfolg der Therapie nicht zu gefährden. Wird die Einsichtnahme – auch in Teilen – verweigert, muss das begründet werden."
Für die Vorstellung bei einem neuen Arzt ist es in jedem Fall sinnvoll, Kopien der Krankenakte mitzunehmen. Das vereinfacht die Anamnese und gibt dem Arzt ein solides Grundlagenwissen über die Krankheitsgeschichte.
Die Suche
Oft kann schon die Frage im Freundes-, Bekannten- oder Kollegenkreis weiterhelfen. Ergibt sich daraus keine Empfehlung, lohnt ein Blick ins Internet. Bei Arztsuchprogrammen (z.B.: Arztsuche der Apotheken Umschau) kann gezielt nach Ärzten im eigenen Postleitzahlenbereich gesucht werden. Bei dem genannten Portal kann man über den Menüpunkt „Erweiterte Suche“ auch schon Auswahlkriterien, etwa zu Sprechzeiten, Barrierefreiheit, Arzt oder Ärztin, Hausbesuchen und Verkehrsanbindung festlegen.
Die Checkliste für den ersten Besuch
Im Vorfeld:
- Ist die Praxis telefonisch gut zu erreichen, oder hänge ich in einer Warteschleife fest?
- Wie lange muss ich auf den ersten Termin warten?
- Passen die Sprechzeiten zu meinem persönlichen Rhythmus?
- Ist die Praxis leicht zu erreichen?
- Besteht Barrierefreiheit? Auch wenn das aktuell noch kein Thema ist – es könnte eins werden.
- Macht die Praxis einen aufgeräumten und sauberen Eindruck?
- Sind die Sprechstundenhilfen freundlich zugewandt oder desinteressiert?
- Ist das Wartezimmer ansprechend eingerichtet?
- Wie lange muss ich warten?
Im Sprechzimmer:
- Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance, also: Bauchgefühl einschalten und ernstnehmen.
- Ist der Arzt interessiert und hört mir zu? Lässt er mich ausreden?
- Hat er im Vorfeld meine Krankenakte eingesehen?
- Habe ich das Gefühl, mich in einem Verkaufsgespräch zu befinden? Wenn ja, ist das ein ganz schlechtes Zeichen.
- Kann ich mir vorstellen, diesem Menschen im Ernstfall private und intime Dinge zu offenbaren?
- Schaut der Arzt während des Gesprächs (öfter) auf die Uhr und scheint in Eile zu sein?
- Stellt er vor der Verabschiedung die wichtige Frage: „Haben Sie noch Fragen?“
Wenn die meisten Fragen dieser (bestimmt unvollständigen) Liste zur persönlichen Zufriedenheit beantwortet werden können, stehen die Chancen gut dafür, die richtige Wahl getroffen zu haben. Wenn nicht, hilft nur ein neuer Anlauf bei einem anderen Arzt. Ich bin dank der Empfehlung einer Freundin mittlerweile wieder ärztlich gut versorgt und gespannt auf eure Kommentare zu diesem Thema.
Catwoman
PC-Freak
Ich musste mir umzugsbedingt auch einen neuen Hausarzt suchen.
Ganz in der Nähe meiner neuen Wohnung hat eine Internistin ihre Praxis.
Ich habe zuerst nachgefragt, ob sie mich als Patient nehmen wird (ich benötige Medikamente für die Schilddrüse).
Als dies bejaht wurde, habe ich einen Termin vereinbart.
Bei diesem ersten Termin hat sich die Ärztin lang Zeit für mich genommen.
Die Chemie stimmte sofort und die Ärztin teilte mir ungefragt mit, dass sie auch Hausbesuche in meiner Wohngegend macht.
Also wurde ich ihr neuer Patient.
Unterlagen hatte ich keine mitgenommen. Diese wurden von ihr direkt von meinem bisherigen Hausarzt angefordert.
Kosten sind dabei für mich keine angefallen.
Also, erstmal sehen, ob ich mich gut fühle, dann die Unterlagen anfordern lassen.
Danke für die sinnvolle Ergänzung in Bezug auf Hausbesuche des Arztes. Da das hier in Berlin absolut ungewöhnlich ist, habe ich daran nicht gedacht. Speziell im ländlichen Bereich ist die Frage aber natürlich wichtig.
Erstmal danke für die tolle Zusammenstellung!
Nur, dass in Berlin Hausbesuche "absolut ungewöhnlich" sind, kann ich gar nicht bestätigen. Viele alteingesessene Hausärzte , besonderns mit älterem Kundenstamm, machen in Berlin Hausbesuche! Und der Trend geht weiter, sodass auch die oben beschriebenen "neuen Ärzte", diesen Service übernehmen. Es ist doch unerheblich , wo man wohnt, wenn man sich nicht aus dem Bett rühren kann. Und nicht jeder will gleich den Notarzt rufen...
Toll finde ich aber wirklich Deine gründliche Recherche zu diesem Thema 👍