Zum Jahreswechsel: "Brief an mein Zukunfts-Ich"

Ein Brief in einem blauen Umschlag liegt vor einem Kerzenarrangement und einer rosa Blütenbox mit der Aufschrift „Brief an mein zukünftiges Ich“.

Zwischen den Jahren habe ich es zum Ritual gemacht, meinen Patienten (Alkohol- Medikamenten- und Drogenabhängige) anzubieten, einen Brief an ihr zukünftiges Ich zu schreiben (natürlich ausschließlich freiwillig).

Gestaltung und Inhalt können frei gewählt werden, der Brief wird von niemandem außer des Verfassers selbst gelesen (auch nicht von mir!). Beginnen lässt sich z. B. gut mit "Liebes Zukunfts-Ich" oder auch einfach mit "Liebe/r [Name]".

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Inhaltlich kann man das sich dem Ende neigende Jahr Revue passieren lassen und seine Gedanken, Wünsche, Träume, Hoffnungen, aber auch Ängste, Unsicherheiten und Befürchtungen für das kommende Jahr niederschreiben. Die Übung regt dazu an, sich mit der eigenen Vergangenheit und Zukunft zu beschäftigen, (neue) Motivatoren zu finden und Geschehnisse zu reflektieren. 

Der Brief wird in einen Umschlag gesteckt, welcher direkt verschlossen und an den Verfasser selbst adressiert wird. Frankiert wird er noch nicht, da sich das Porto ja manchmal ändert. Die Patienten können mir (alternativ einer anderen Person ihres Vertrauens) den Brief geben. Ich bewahre die Briefe auf und sende sie irgendwann im Verlauf des kommenden Jahres ab (bis dahin sind die Patienten wieder zu Hause, nicht mehr bei uns in der Klinik). So wird der Verfasser zu einem Zeitpunkt, an dem er wahrscheinlich schon gar nicht mehr an den Brief denkt, an seinen Inhalt erinnert.

Ich weise die Teilnehmenden immer im Vorfeld darauf hin, dass der Erhalt und das Lesen des Briefes sehr schön sein kann, wenn sich etwas zum Positiven gewendet hat, aber auch sehr schmerzhaft, falls sich Hoffnungen, Träume und Wünsche zum Zeitpunkt der Zustellung nicht erfüllt haben sollten. 

Wie auch immer es ausgeht - allein die Auseinandersetzung beim Schreiben zeigt oft eine tolle Wirkung und es ist schön, zu sehen, wie liebevoll die Teilnehmer dabei mit sich selbst umgehen (da wird Zeit und Mühe investiert, gemalt, mit Aufklebern verziert und anderweitig gestaltet, es wird geschrieben und verworfen, getüftelt und umformuliert...). Gerade bei einem solchen Personenkreis, dem es tendenziell eher schwer fällt, sich mit sich selbst auseinander zu setzen und sich etwas Gutes zu tun, ist das einfach toll zu beobachten.

Natürlich muss man nicht unbedingt mit Patienten arbeiten, um diese Briefe zu schreiben. Kennen gelernt habe ich diese "Übung" bei einem Seminar. Wir Teilnehmer erhielten das Angebot und die Seminarleiterin sendete uns die Briefe. Ich habe mich gefreut wie eine Schneekönigin, als ich den Brief irgendwann überraschend in meinem Kasten fand. Freundeskreise und Familien würden sich z. B. auch dafür anbieten.

Vielleicht hat ja der ein oder andere Lust, es auszuprobieren. Wünsche allen einen guten Rutsch!

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6 Kommentare

Das ist eine wirklich schöne Idee. Wir haben mal sowas ähnliches in der Ausbildung gemacht. Im ersten Jahr wurden Wünsche und Ziele an einen selbst geschrieben und das Jahr drauf hat unsere Lehrerin die Briefe wieder ausgeteilt und man konnte ihn sich wieder durchlesen und schauen was sich verändert hat.
Ich habe das auf einer Kur kennengelernt. Es war wirklich sehr schön, den Brief dann nach einiger Zeit zu erhalten.

Diesen Silvesterabend, kam dann meine Tochter mit dieser Idee (nicht von mir) und hat begeistert und lange geschrieben :)
Kenne ich auch! EIne Freundin von mir hat das mit ihren besten Freundinnen zum Geburtstag gemacht (damals kannten wir noch einander nicht). Beim nächsten Geburtstag war ich dabei, als die Briefe aus einem Versteck geholt wurden und die Mädchen sich das geschriebene unter Gejohle vorlasen, war nicht sehr poetisch oder gefühlvoll, daher durften wir alle mithören. Es wurde teils ein rüder Ton genutzt ("Liebe Steffi, wenn du jetzt immernoch nicht mit Michael zusammen bist, verlieb dich endlich in jemand anderes!", "Liebe Claudia, ich hoffe, du hast jetzt endlich deinen Führerschein gemacht!"), aber man selbst darf ja mal so mit sich umgehen;-)

Ich selbst habe früher nur jedes Jahr zu Silvester meine Wünsche fürs neue Jahr aufgeschrieben und diese Zettel vor einigen Jahren wiedergefunden. War auch sehr interessant, zu sehen, was einem mal wichtig war und wovon man ganz vergessen hatte, dass es sich erst glücklich fügen musste.

Für das Briefe an die Zukunft-Ichs schreiben!
Eine gute Idee sich selbst zu schreiben.
Das habe ich vor wenigen Jahren auch auf einem Seminar gemacht. Ein Jahr später kam ein Brief, von dem ich erst mal verblüfft war, weil's meine Handschrift war. Aber nach dem Öffnen kam die positive Überraschung.
Ich finde das auch eine schöne Idee. Kann ich ja auch jetzt noch machen.
Ich schreibe im Urlaub eine Karte an unsere Adresse. Gerade aus dem Ausland dauert das oft einige Wochen bis die Karte da ist. Ich schreib da sowas wie: "Ach war das schön hier, jetzt hat uns der Alltag wieder".
Immer sehr schön, die Erinnerung...