Schrecklich, dieses dauernde Müssen. Noch schrecklicher, wenn es mit einem hektischen „schnell“ kombiniert wird. Ich erwische mich selbst viel zu oft bei Sätzen wie: „Ich muss noch schnell meine Mails checken“ oder „Nee, ich habe jetzt keine Zeit, ich muss noch schnell einkaufen“. Etwas zu müssen, hat immer mit Zwang zu tun, mit dem Gefühl der Faust im Nacken. Aber diese Faust, die uns zu gängeln scheint, gehört in Wirklichkeit niemandem außer uns selbst. Echt jetzt? Ja!
Was müssen wir denn?
Die Dinge, die wir wirklich unabänderlich müssen, lassen sich bequem an einer Hand abzählen: Atmen, essen, trinken, schlafen und irgendwann sterben. Nimmt man noch den Gang auf die Toilette hinzu, ist die Liste eigentlich schon komplett. Alle anderen Dinge, die wir im Leben zu tun haben, sind in der Regel Konsequenzen von selbst getroffenen Entscheidungen. Wir haben uns entschieden, dass wir uns mehr leisten wollen als der Hartz IV-Satz hergibt? Prima. Da war noch der freie Wille die Motivation, nicht das Muss. Dass wir allerdings arbeiten müssen, um uns das Gewollte zu ermöglichen, ist die logische Konsequenz. Warum gehen wir dann nicht her und sagen: „Ich will arbeiten, weil ich mir etwas leisten möchte.“?
Es gibt Dinge, die sind nicht verhandelbar. Wenn ich ein kleines Kind habe, muss ich mich darum kümmern. Punkt. Aber auch diese unabänderlichen Pflichten gehen einem viel leichter und angenehmer von der Hand, wenn das leidige „müssen“ wegfällt. „Ich kümmere mich um mein Kind“ reicht doch als Aussage. Dass dahinter ein Muss steht ist ja sonnenklar, also warum sollte es noch extra so betont werden?
Kleine Worte, große Wirkung
Um noch einmal auf mein Beispiel von oben zu kommen: Warum muss ich meine Mails denn checken? Kein Mensch zwingt mich mit vorgehaltener Waffe dazu. Aber ich will ja wissen, ob mir jemand geschrieben hat. Also wäre es doch viel angebrachter zu sagen: „Ich möchte noch meine Mails checken“ statt „ich muss“. Es ist nur eine kleine Veränderung in der Wortwahl, aber eine Riesenveränderung des Gefühls, das damit einhergeht. Mir geht es jedenfalls sehr viel besser, wenn ich etwas will oder möchte, anstatt es zu müssen.
Mit dieser minimalen Veränderung in Gedanken und Gesagtem, also „wollen“ anstelle von „müssen“, gewinnt man das Gefühl der Entscheidungsfreiheit zurück. Wer das Ganze auf die Spitze treiben will, sollte es mit „dürfen“ versuchen. Damit erteilt man sich quasi ständig selbst die Erlaubnis, Dinge zu tun, die man ja eigentlich auch tun möchte. Obwohl: Das ist die hohe Schule und nicht immer anwendbar. Wenn ich es schaffe aus dem „Ich muss meiner Schwiegermutter noch zum Geburtstag gratulieren“ ein „Ich möchte meiner Schwiegermutter noch zum Geburtstag gratulieren“ zu machen, reicht mir das. Zu sagen: „Ich darf meiner Schwiegermutter…“ fände ich echt übertrieben.
Das mit dem „dürfen“ sollte also für besondere Momente reserviert bleiben. Wie wär’s beispielsweise mit: „Ich darf meiner Liebsten noch ein Geschenk zum Hochzeitstag kaufen“ statt „Ich muss…“? Klingt doch gleich ganz anders, oder? Ich möchte ja aus Liebe schenken und nicht aufgrund einer vermeintlich auferlegten Verpflichtung.
Stelle dein Müssen in Frage
Ein kleiner Trick kann bei der Umstellung von „müssen“ auf „wollen“ sehr hilfreich sein. Das nächste Mal, wenn dir der Satz „Ich muss noch schnell (hier bitte ein Muss der Wahl einsetzen)“ rausrutscht, oder du so einen Gedanken hast, stelle dir folgende Fragen:
- Muss ich das wirklich? Oder denke ich nur das tun zu müssen, weil alle anderen es auch so machen?
- Werde ich gezwungen das zu tun, oder mache ich es aus freien Stücken?
- Will ich es nicht eher tun, weil mir die Konsequenzen missfallen, wenn ich es nicht tue?
- Ist es nicht vielmehr so, dass ich es tun werde, weil ich es für sinnvoll oder nützlich halte?
So, an dieser Stelle will ich schließen, weil ich noch einkaufen möchte. Ich darf nämlich meiner Liebsten und mir heute ein leckeres Abendessen kochen. Ist doch ganz einfach, oder was meint ihr? Kommentare sind natürlich ein Muss ;)
Ich MUSS auch soviel! Aber es ist unglaublich wie "ich wil"l oder "ich möchte" das Gefühl ändert. Meine Kids sind angehalten für ein jedes"muss" von mir mich dran zu erinnern...komisch wie oft es passiert. Ich versuche momentan das "sollte". Denn es stimmt: müssen gibt es nicht viel, alles andere ist ein "Nice to have" ....
Da denke ich immer an den Vers, den uns meine Mutter auf den Weg mitgegeben hat.
Quält Dich aus tiefster Brust, das harte Wort, ich muß, dann macht mich ein`s nur still, das kleine Wort, ich will.