Was fasziniert uns Menschen häufig am meisten? Das Gegenteil von uns und unserer Welt. Deshalb ist es absolut logisch, dass viele von uns Teuton:innen ein Sehnsuchtsland haben: Italien! Doch diese Faszination birgt auch Fallstricke.
„Expresso Terrassimo – die teutonische Bestellung“
Während bei uns Matsch und Nieselregen regieren, träumen wir von Zypressen, Zitronenduft und zirpenden Zikaden: Bella Italia ist rund ums Jahr einer unserer Sehnsuchtsorte. Schließen wir die Augen, finden wir uns in einer kleinen Trattoria in der Toskana wieder. Dort sitzen wir breit grinsend und seufzend im Schatten. Wir fächeln uns Luft zu und lassen den Blick über eine Landschaft schweifen, die zum Weinen schön ist: Sanfte Hügel mit jahrhundertealten Glockentürmen, um die Mauersegler kreisen, dahinter majestätische Zypressenalleen. Um uns herum lassen sich gut gekleidete Menschen fröhlich ihre Pasta schmecken. Auch der Ober lächelt uns freundlich zu. Und um alles endgültig perfekt zu machen, bitten wir ihn um eins: „Uno Expresso por fervor.“
Vorbei der Traum. Wir haben es versaut. Die Mauersegler stürzen ab. Die angeregten Unterhaltungen um uns herum verstummen. Dem Ober quellen fast die Augen aus dem Kopf. Dann schluckt er, nickt zitternd, räuspert sich kurz, bringt aber nur einen kleinen Krächzlaut heraus – und rennt dann mit Tränen in den Augen von dannen.
Ja, so sind wir Deutschen gerne. Zuverlässig. Und das gilt auch im Ausland bei längst bekannten Fettnäpfen. Gerade beim Bestellen beweisen wir immer wieder so viel Fingerspitzengefühl wie ein Metzgershund. Warum, zum Henker, bringen wir nicht „Un caffè per favore“, heraus? Wir könnten uns doch einfach mal merken, dass ein „Espresso“ bei uns – klein, stark, schwarz, serviert in einer kleinen Tasse – ein „Caffè“ in Italien ist.
Ähnlich ist es mit dem Tiramisu. Wir alle lieben es. Aber warum müssen wir zu unserem „Expresso“ dann immer wieder ein „Terrassimo“ bestellen? Tiramisu hat mit einer Terrasse herzlich wenig zu tun. „Tira mi su“: „Zieh mich hoch“. Keine Terrasse in Sicht.
Hat nicht der Aufenthalt in einem anderen Land etwas mit Respekt zu tun? Und geht es bei diesem Respekt nicht auch darum, dass wir uns – zumindest in Ansätzen – etwas schlau machen, bevor wir wie Elefanten durch Porzellanläden trampeln?
Ein Beispiel: In den meisten Restaurants in Italien gibt es erst abends Pizza. Warum sind wir dann so furchtbar enttäuscht, oft eingeschnappt oder sogar empört, wenn es den fettigen Käsetraum mittags nicht gibt? Oder: Warum schlappen deutsche Männer abends in Sandalen (natürlich mit hochgezogenen Socken) und kurzen Hosen in feine Restaurants, in denen lange Hosen und geschlossene Schuhe erwartet werden?
Ja. Das sind Klischees und natürlich gibt es massenhaft Deutsche, die sich in Bella Italia ganz ausgezeichnet benehmen. Aber ein Abstecher in einen Küstenort zur deutschen Ferienzeit lässt die teutonischen Elefanten eben doch wieder fröhlich trampeln. Wir pochen selbst auf Höflichkeit, doch dann hauen wir die ungeschriebenen Regeln eines Landes mit Schmackes in die Pfanne.
Da fällt mir der Pate ein. Der eben schon erwähnte Respekt ist überall auf der Welt eine gute Sache. In Italien ist er aber mehr als das. Er ist von enormer Bedeutung. Merken wir uns das, wenn wir demnächst wieder nach Grosseto, Rom oder Catania fahren.
Und machen wir beim nächsten Kaffeedurst dem Ober doch gleich ein Angebot, das er nicht ablehnen kann: „Un caffè per favore“. Wetten, dass er einfach lächelnd nickt und elegant davonzischt, um uns gut gelaunt das schwarze Gold zu bringen. Alle Mauersegler dürfen weiter um die Kirchtürme kreisen, die Unterhaltungen um uns herum gehen weiter und wir genießen die so unfassbar kostbaren Momente in diesem traumhaft schönen Land!
Buona fortuna!