Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Menschen ein Handyverbot in Arztpraxen und Krankenhäusern im wahrsten Sinne des Wortes einfach „wegwischen“. Da wird munter drauflos telefoniert und gesimst, gespielt oder Musik gehört. Man erfährt (ob man will oder nicht), welche neuen Klingeltöne gerade hip sind und was es bei Familie XY zum Abendessen gibt. In Amerika nennt man das TMI. Das Kürzel steht für „To Much Information“ und bringt das Problem des unfreiwilligen Mithörens treffend auf den Punkt.
In solchen Momenten fühle ich mich einfach nur Oldschool. Mein Mobiltelefon benutze ich zum Telefonieren, wenn es wichtig ist. Nicht, um irgendwem vom Wartezimmer aus mitzuteilen, dass die U-Bahn „tierisch voll“ war und ich mich „super langweile“. Ich spiele weder „Angry Birds“ noch „Pokemon Go“, und niemals überfällt mich der unstillbare Drang schnell noch einen Post in meiner Facebook-Chronik zu teilen. Was haben die Menschen bloß gemacht, bevor es diese Hosentaschen-Computer gab? Sind sie vor Langeweile eingegangen? Soweit ich weiß sind bislang keine Fälle von tödlich endender Langeweile dokumentiert. Ich für meinen Teil kann ehrlich sagen mich noch nie in meinem Leben gelangweilt zu haben. Solange ich meinen Kopf dabei habe, gibt es immer etwas mit dem ich mich beschäftigen kann.
Womit wir beim eigentlichen Thema dieses Beitrags wären: Wartezeit, egal wo, sinnvoll zu überbrücken. Werfen wir zunächst einen Blick auf die klassischen Situationen in denen Wartezeiten entstehen.
Top-Four des Wartens
Natürlich sind alle folgenden Zahlen- und Zeitangaben statistische Durchschnittswerte, die von den persönlichen Erfahrungen abweichen können.
Platz 4: Warteschlange an der Supermarktkasse
Der Durchschnittsdeutsche verbringt pro Jahr etwa sieben ganze Tage in Supermärkten und anderen Geschäften. Dabei entstehen pro Einkauf 6,9 Minuten Wartezeit an der Kasse, aufs Jahr hochgerechnet macht das sechs Stunden. Im Europa-Ranking liegt Deutschland damit auf Platz 13. Am kürzesten warten die Portugiesen mit 2,5 Minuten und am längsten die Griechen mit 13,7 Minuten.
Platz 3: Wartezeit beim Arzt
Die Wartezeiten unterscheiden sich je nachdem, welcher Arzt aufgesucht wird. Am schnellsten geht es beim Zahnarzt mit rund 13 Minuten, am längsten wartet man mit 37 Minuten beim Augenarzt. Im Durchschnitt aller ärztlichen Fachrichtungen sind es 24 Minuten. Bei den statistisch 17 Arztbesuchen pro Jahr kommt so eine Wartezeit von 6 Stunden und 24 Minuten zusammen.
Platz 2: Im Stau stehen
Der Deutschen „Heilig’s Blechle“ ist ein echter Zeitfresser: Rund 38 Stunden pro Jahr verbringt der durchschnittliche Autofahrer im Stau. Besonders hart trifft es Pendler, die jährlich bis zu 58 Stau-Stunden hinter dem Lenkrad verbringen.
Platz 1: Warten am Computer
Trotz Highspeed-Internet und Hochleistungs-PCs entstehen die längsten Wartezeiten am heimischen Desktop oder Laptop: 156 Stunden pro Jahr warten Nutzer darauf, dass ihr Rechner hochfährt, Programme runtergeladen und installiert werden oder sich die Windows-Sanduhr endlich wieder in einen Cursor-Pfeil verwandelt. Das hätte ich nicht gedacht, aber ich halte es da im Zweifelsfall mit Churchill, der (angeblich) sagte: „Traue nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“
Zwangspausen sinnvoll nutzen
Auch Wartezeit ist Lebenszeit. Wer sich diesen Umstand bewusst macht, kann im Warten mehr als eine störende und ärgerliche Unterbrechung des gewohnten Ablaufs sehen. Wie oft hört man den Satz „Ich habe zu wenig Zeit für mich selbst“? Nun, die Wartezeit gehört uns selbst, was hindert uns daran sie zu nutzen? Im Folgenden fasse ich kurz zusammen, womit ich Wartezeiten gerne überbrücke.
Ohne Hilfsmittel
Im Stau oder in der Schlange im Supermarkt kann man immer eine schnelle Runde Gehirnjogging absolvieren, zum Beispiel:
- Im Kopf die Preise der Artikel im Einkaufswagen möglichst genau addieren und später mit der tatsächlich gezahlten Summe vergleichen.
- Von einer beliebigen vierstelligen Zahl in Siebener-Schritten rückwärts rechnen. Die Sieben ist beim Subtrahieren sehr unbequem und fordert das Gehirn. Fortgeschrittene nehmen Siebener-Potenzen, also 14 oder 21.
- Einen ausgedachten Satz im Kopf rückwärts sprechen. Beispiel: "spazieren Hund dem mit noch ich gehe nachher". Fortgeschrittene können auch noch zusätzlich die einzelnen Wörter des so entstandenen Satzes rückwärts buchstabieren.
- Aus den Buchstaben von Autokennzeichen kurze, witzige Sätze bilden. So wird beispielsweise aus HD-SN „Heute dürfen Senioren Nacktbaden“. Wenn´s länger dauert möglichst viele Varianten bilden (Heftiger Dauerregen schockt Nordfriesland).
Mit Hilfsmitteln
Wenn man beim Warten sitzt, beispielsweise beim Arzt, können auch Hilfsmittel wie Stift und Papier zum Einsatz kommen.
- Der Klassiker: Das Buch, das schon seit Wochen auf dem Nachttisch liegt, mitnehmen und weiterlesen.
- Eine To-Do-List für die nächsten Tage ins (mitgebrachte) Notizbuch schreiben.
- Einfache Origami-Figuren falten (ist auch super, um mit anderen Wartenden ins Gespräch zu kommen, falls man das möchte).
- Ein Rätselheft einpacken und Kreuzworträtsel oder Sudoku lösen.
- Themen für Tipps auf Frag-Mutti überlegen und notieren :)
- Einfach mal die Augen schließen, tief durchatmen und die Gedanken streunen lassen.
Speziell für die Wartezeit am Computer
Alles machen, außer am Bildschirm zu kleben und den Fortschrittsbalken zu beobachten. Dann dauert es nämlich (gefühlt) noch viel länger. Lieber kurz aufstehen, ein paar kurze Gymnastikübungen machen, eine Tasse Tee kochen oder die Spülmaschine ausräumen. An der Wand neben meinem Rechner hängt übrigens eine Dartscheibe – mittlerweile bin ich ziemlich gut in Übung…
Was macht ihr, wenn ihr warten müsst?
Delfin-Beobachterin